Der Bildschirmmensch – Symbol für Kontrolle im digitalen Zeitalter

Das Bild zeigt eine frontal stehende Figur in dunklem Anzug, deren Kopf durch ein altmodisches Röhrenfernsehgerät ersetzt wurde. Auf dem Bildschirm flimmert graues Rauschen, das Sinnbild einer Übertragung ohne Inhalt ist. In den Händen hält die Figur ein überdimensioniertes, lebensechtes blaues Auge – glänzend, nass, unheimlich präsent. Der Hintergrund ist dunkel und neblig, die Lichtführung konzentriert sich auf das Gesichtlose und das Auge, wodurch der Betrachter gezwungen wird, in diesen beiden Polen die Bedeutung zu suchen: das Sehende und das Gesendete, das Kontrollierte und das Kontrollierende.
Interpretation zu „Medien“
Die Arbeit greift die Ästhetik klassischer Surrealisten auf, insbesondere Magrittes maskenhafte Anonymität und Dalís symbolische Körperauflösungen, überträgt diese jedoch in eine digitale Gegenwart, in der Macht und Wahrnehmung zunehmend verschmelzen. Der Fernseher, Relikt einer früheren Ära der Massenkommunikation, steht hier nicht nur für staatliche oder ideologische Propaganda, sondern auch für die algorithmische Kontrolle heutiger Informationsflüsse. Sein statisches Rauschen verweist auf die Illusion von Vielfalt, die in Wahrheit gleichgeschaltet und sinnentleert ist. Das Auge in den Händen symbolisiert das Publikum, das Objekt der Beobachtung, aber auch den internalisierten Blick der Überwachung. Der Mann hält es scheinbar schützend, tatsächlich jedoch als Trophäe – als Beweis der gelungenen Kontrolle.
Fazit
Die Komposition spielt mit der Dialektik von Sichtbarkeit und Blindheit. Das Subjekt ohne Gesicht, aber mit Sehorgan in der Hand, ist die Verkörperung eines Systems, das seine Bürger gleichzeitig beobachtet und ihnen die eigene Wahrnehmung diktiert. Das Werk liest sich als Kommentar auf die heutige Synthese aus politischem Reaktionismus und digitaler Abhängigkeit: Regierungen, die sich klassischer Symbolik bedienen, um moderne Technologien zur Kontrolle zu nutzen. Der Mensch wird zum Medium seiner eigenen Manipulation. In der Dunkelheit des Bildes leuchtet nur das Auge – nicht als Zeichen von Erkenntnis, sondern als kalte Reflexion einer Macht, die alles sieht und nichts fühlt.
SH, Karlsruhe 12.11.2025





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