Notizen eines Physikers, der mit Eigenmoden malt – Generative KI-Kunst mit Spektralmathematik
Die Grundidee: Eine KI lernt eine neue künstlerische Ausdrucksform
Vor ein paar Jahren hatte ich eigenmächtig die künstlerische Ausdrucksform der „Spektralmathematik“ für mich definiert und in diesem Blog festgehalten. Heute nun habe ich mit ChatGPT 5 und einigen Prompts das Gedankenspiel gespielt, wenn sich diese „künstlerische Ausdrucksform“ hypothetisch 50 Jahre weiter entwickelt hätte. Dabei habe ich die KI den Kontext klar von der allgemeinen, wissenschaftlichen Definition des Begriffes Spektralmathematik durch den Prompt abgrenzen lassen. Diese Definition würde ich aber im späteren Prozess noch einmal einfließen lassen. Dazu gleich mehr. Herausgekommen sind damit zunächst diese drei Bilder:



Nächster Schritt: Eine Grammatik aus Frequenzen
In der Physik kann man komplexe Systeme in Spektren zerlegen: in Moden, die miteinander interferieren und trotzdem einzeln beschreibbar bleiben. Folgerichtig hat dann im weiteren Prozess die KI meine Eigendefinition von damals mit der allgemeinen, wissenschaftlichen Definition des Begriffes „Spektralmathematik“ vermengt. Letztere waren der KI durch ihre Trainingsdaten schon vor meiner Verlinkung und Prompts hinlänglich bekannt. Herausgekommen ist eine neuartige Ausdrucksform als Kombination von Mathematik, Optik und KI: Generative KI-Kunst mit Spektralmathematik.

Sie nutzt Wellen, Laplace‑Operatoren, Graphen und Fourier‑Spektren als visuelle Grammatik. Die Details der Formulierung hatte ich im Wesentlichen in genannten Blogbeitrag schriftlich umrissen, anschließend habe ich sie durch Prompts im Chat mit einer KI in Bilder übersetzen lassen.
Generative KI-Kunst mit Spektralmathematik: Was ich in den Prompts getan habe
Ausgangspunkt war die Bitte, ein 1×1‑Werk zu erzeugen, als ob die Spektralmathematik (deren ausführliche eigenmächtige Definition ich direkt verlinkte, statt sie zu prompten) in fünfzig Jahren ausgereift wäre. Später ließ ich die KI von sich aus diese Beschreibung mit der ursprünglichen, allgemeinen Definition des Begriffes aus der Wissenschaft kombinieren. Daraus entstand eine Serie. Ich gab zusätzlich jeweils präzise Constraints durch kurze Impuls-Prompts vor, die Stilraum definieren, und die KI füllte ihn aus:
- Optische Effekte und Geometrie: Prismen, Beugung, Konturlinien, Tiling.
- Variationen der Parameter: von gläsernen Tori bis hin zu dichtem Netz aus Dreiecken und Rechtecken mit wenigen Ellipsoiden.


- Hellraum‑Version: sehr viel Weiß, starke Spektralfarben und schwarze Linien, ergänzt um Formeln und Felder.
- Motivische Projektionen: das Innere eines neuronalen Netzes, ein Porsche‑Motor, eine hundertjährige Eiche, schließlich das menschliche Gehirn – jeweils in der Sprache der Spektralmathematik.
Typische Notation, die in mehreren Bildern auftaucht: |ψ|² = ρ (Bornsche Regel) und L = D − A(Graph‑Laplacian). Sie machen sichtbar, dass hier nicht nur dekorative Formen entstehen, sondern messbare Strukturen.
Wie die Bilder entstanden sind
Prinzip der generativen KI-Kunst mit Spektralmathematik: Ich beschreibe einen nicht-trivialen Satz an Regeln, nicht Pixel. Die KI übersetzt Regeln durch kurze Folge-Prompts angestoßen in Bilder.
Entscheidend war, die KI nicht „malen zu lassen“, sondern ihr Parameter‑Räume zu geben: Format, Geometrieklassen, Farbräume, Dichte der Linien, mathematische Motive. Ich nannte Operatoren (Laplace, Fourier), Objekte (Graphen, Eigenmoden, Konturen) und Messgrößen (Spektren, Dichten). Die KI generierte daraus in einer Serie Varianten, die ich iterativ verengte oder öffnete. So entstand eine Explorationskurve – aber aus Bildern – die in der Forschung einem Scan über Parameter entspricht.
Für die figürlichen Objekte – Motor, Baum, Gehirn – wählte ich dadurch eine physikalisch-mathematische Sicht. Die Formen bleiben erkennbar, aber die eigentliche „Farbe“ liefern Spektren und Isolinien. Dadurch wirkt jedes Motiv wie eine Messaufnahme: nicht die Optik eines Objekts, sondern seine Struktur.
Physik‑Notizen in Klartext
- |ψ|² = ρ: Die Wahrscheinlichkeit, ein System in einem Zustand zu finden, ist das Quadrat der Wellenfunktion. In Bildern markiert das „dichte“ Regionen.
- L = D − A: Der kombinatorische Graph‑Laplacian. Seine Eigenvektoren sind Schwingungsmoden eines Netzwerks. Visualisiert als glatte Farbverläufe oder als Konturlinien auf dem Graphen.
- Fourier‑Spektrum: Zerlegt eine Form in Frequenzen. Niedrige Frequenzen für großräumige Struktur, hohe für Detail. In der Kunst steuert es „Schärfe“ und Muster.


Generative KI-Kunst mit Spektralmathematik: Perspektiven dieser Art der KI‑Kunst
Wenn Kunst eine Grammatik braucht, liefert KI heute einen durch Prompts und Zufall variablen Interpreter. Die folgenden, möglichen nächsten Schritte sehe ich technisch und ästhetisch:
- Kontrollierte Generierung: Guidance durch Felder und Graphen. Wir geben Eigenmoden als „Pinsel“ vor und lassen die KI damit komponieren.
- Differenzierbare Ästhetik: Metriken für Rhythmus, Kontrast oder Symmetrie werden optimiert wie eine physikalische Funktion.
- Eigene Datensätze: Kurze, saubere Körper mit Formeln, Spektren, Netzwerken. Weniger Masse, mehr Struktur.
- Interaktive Installationen: Bild, Ton und Sensorik teilen sich ein Spektrum. Zuschauer:innen verändern Eigenwerte in Echtzeit.
- Transparenz: Jede Iteration speichert Prompts, Seeds und Parameter – reproduzierbar wie ein Experiment mit Zufallselement.
Fazit
In diesem Projekt habe ich eine abstrakte, physikalisch inspirierte Sprache definiert und der KI gewissermaßen die Rolle des ausführenden Orchesters gegeben. Statt einzelner Bilder entstand ein konsistenter Spektralraum, in dem Motive – Motor, Baum, Gehirn, neuronales Netz – wie Experimente variiert werden. Vielleicht liegt ein Teil der Zukunft der KI‑Kunst in genau dieser Kopplung: klare Theorien, offene Parameter, messbare Schönheit.
Weitere Informationen und Beispielwerke aus der KI-Kunst allgemein von mir finden sich auf blitz-art-ig.de.
Dr. Sven Hermann im Dialog mit ChatGPT5 und 4o, Karlsruhe 08.2025 – Kontakt über E-Mail







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